Ausführungen zu den Motiven meines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung

Schon seit einiger Zeit denke ich über den Kriegsdienst bei der Bundeswehr und dessen Sinn und Zweck nach. Im folgenden möchte ich erläutern, warum ich den in der Grundausbildung vorgesehenen Dienst an der Waffe nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann.

Das Erlernen und Trainieren des Umgangs mit einer Waffe in der Grundausbildung im Wehrdienst hat zum Ziel, im Ernstfall Menschen schnell und effizient zu töten, das kann niemand bestreiten. Das bedeutet, daß sich ein Soldat in diesem Ernstfall "Krieg" der Macht bedient, über Leben und Tod anderer Menschen zu entscheiden. Diese Entscheidung muß von ihm aber weder begründet werden, noch hat er die Folgen zu tragen. Allein seine Funktion als ausführende Gewalt des Staates, von dem er ja auch den Befehl zum Schießen entgegennimmt, scheint ihn zu berechtigen, Menschen zu töten, ohne als Mörder behandelt zu werden, obwohl selbst der deutsche Staat nach seiner Verfassung zu urteilen eigentlich nicht dazu befugt ist, über das Töten von Menschen zu entscheiden, da eine eindeutige Übereinkunft darüber herrscht, daß die Würde des Menschen unantastbar ist und deshalb zum Beispiel die Todesstrafe abgeschafft wurde.

Meiner Meinung nach kann es kein Mensch verantworten, einen anderen Menschen zu töten. In der Situation eines Kriegs würde sich ein Mensch auf diese Art über einen anderen erheben, indem er die Werte und Normen, nach denen der andere lebt und dadurch zum "Feind" geworden ist, mißachtet und seine eigenen Wertvorstellungen als die einzig wahren ansieht, was einen klaren Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Menschenrechte bedeutet. Dieser Verstoß wiegt um so schwerer, da er, selbst wenn er irrtümlich oder aus Unwissenheit geschehen ist, nicht wieder rückgängig oder sogar wiedergutgemacht werden kann. Hinzu kommt, daß ein Soldat im Krieg gegen eine "feindliche" Nation, gegen ihr System, die politischen Überzeugungen ihrer Staatschefs oder ihren Glauben kämpft und nicht gegen den einzelnen Soldatenkollegen, der sich in der gleichen Situation befindet wie er, mit dem er sich in Friedenszeiten bestens verstehen könnte, der aber durch Befehle genauso dazu gezwungen ist, für sein Land zu kämpfen und dadurch leider auf der "feindlichen Seite" steht. Es ist also der Konflikt zwischen zwei Systemen, der von Stellvertretern ausgetragen werden soll, die im Moment des Kampfes keine Gelegenheit mehr haben, sich zu überlegen, ob sie im Einklang mit ihrer eigenen Überzeugung handeln. Doch darüber braucht der Soldat anscheinend auch nicht nachzudenken, da er gemäß der Organisation der Bundeswehr nur die Befehle des in der festgelegten Hierarchie über ihm stehenden Personals ausführen soll, das dann auch die Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Anordnungen tragen und ihm damit solche Gewissensfragen abnehmen soll.
Ich persönlich könnte weder die Verantwortung dafür übernehmen, daß ein Mensch auf meinen Befehl hin getötet wird, noch könnte ich die Verantwortung für meine Tat auf eine andere Person übertragen.

Kriege, egal ob sie von Militärregimes aus machtpolitischen Gründen oder von westlichen Mächten zur 'Befriedung' oder 'Befreiung' unterdrückter Völker geführt werden, stellen nie die Lösung eines Konflikts dar, die ohne Kollateralschäden auskommt, von denen vor allem die Zivilbevölkerung betroffen ist. Es gibt keinen 'sauberen' Krieg, der nur die wirklich Schuldigen bekämpft, da man auf dem Schlachtfeld zwischen dem desertionswilligen Soldaten und dem Kriegsverbrecher nicht unterscheiden kann. Vor allem der im Krieg nicht zu vermeidende Tod unschuldiger Menschen, für den es unzählige Beispiele wie z.B. die Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg gibt, läßt sich unter keinen Umständen mit meinem Gewissen vereinbaren.

Aufgrund meiner in diesem Text dargelegten Überzeugungen bin ich zu dem Schluß gelangt, daß ich den Dienst an der Waffe nicht antreten kann.
Jedoch stehe ich im Einklang mit der Forderung zur Erfüllung meiner Pflicht gegenüber dem Staat und werde deshalb den Zivildienst antreten. Dies stellt meiner Meinung nach eine sinnvolle Aufgabe dar, in der ich wirklich anderen Menschen helfen kann und die ich mit meinem Gewissen voll und ganz unterstütze.

Mit freundlichen Grüßen und der Bitte auf Anerkennung